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feiert am Mittwoch, 15. Januar, auf der Bühne Aarau Premiere
In der Geisselmacherei in Egliswil werden jedes Jahr hunderte Chlausgeisseln in aufwendiger Handarbeit hergestellt und repariert. Die beiden Geisselmacher Daniel Werren und Mario Birrer führen damit eine jahrhundertealte Tradition fort, die für das Brauchtum des Chlauschlöpfens im Bezirk Lenzburg unverzichtbar ist.
Egliswil Wenn die Tage im Herbst kürzer werden, kribbelt es dem einen oder anderen im Bezirk Lenzburg bereits in den Fingern. Dann geht es nämlich schon bald wieder los mit dem «Chlauschlöpfe». Ab dem 1. November schallen die Knalle der Chlausgeisseln wieder durch die Strassen der Gemeinden, von Seengen bis Möriken-Wildegg, von Othmarsingen bis Schafisheim.
Dass Erst-«Chlöpfer» auch in diesem Jahr eine Geissel bekommen und Geisseln, die schon die eine oder andere Saison mitgemacht haben, wieder richtig «chlöpfed», ist vor allem der Geisselmacherei in Egliswil zu verdanken. Seit rund 25 Jahren werden in der familiär geführten Geisselmanufaktur jedes Jahr hunderte Geisseln in Handarbeit neu gefertigt und gebrauchte Geisseln repariert. Gemeinsam mit seinem Vater lernte Daniel Werren das Handwerk in den 90er Jahren vom als Geisselvater bekannten Lenzburger Ernst Lüthi. Seit über fünf Jahren gibt Werren sein Wissen nun selbst weiter, an den Wildegger Mario Birrer, der in seiner Zweigstelle in Möriken-Wildegg seit einigen Jahren auch selbst Reparaturen anbietet.
Am vergangenen Samstag standen die beiden Geisselmacher also wieder in der kleinen aber feinen Werkstatt in Egliswil – und machten Geisseln. Fünf Rollen füttern Juteschnüre separiert durch ein selbstgebautes Holzgerüst hin zum anderen Ende des Raumes. Dort spannt Daniel Werren sie in einen Hacken ein. Durch einen Elektromotor angetrieben rotiert dieser Hacken und verdreht die Schnüre. Anschliessend umspinnt Mario Birrer die sogenannte Litze mit Flachs, den er in einem Beutel um die Hüfte trägt. «Das Flachs nimmt beim ‹Chlöpfe› der Geissel die Last auf, die kurzfaserige Juteschnur würde das nicht aushalten», erklärt Daniel Werren. Vier solcher Litzen werden anschliessend zu einem Schenkel zusammengedreht – aus drei Schenkeln entsteht dann das Seil einer Lenzburger-Geissel. Sobald die beiden Enden abgebunden sind, fehlt zur fertigen Geissel nur noch der Stiel aus Holz und der Zwick – das Endstück, dass für den Knall sorgt – aus Polypropylen-Schnur.
Wenn möglich beziehen die Geisselmacher alle ihre Materialien aus der Region: Die Holzstiele aus der Stielfabrik in Hallwil, die Polypropylen-Schnur aus Rupperswil. Nur den Flachs müssen Werren und Birrer aus dem Ausland beziehen, notgedrungen. In der Schweiz produziert ihn keiner mehr und auch im Ausland werden die Bestände unsicherer. Wenn möglich importieren die beiden Flachs aus Belgien, aktuell müssen sie aber gar in Ägypten in den Einkauf. Und der Rohstoff wird immer teurer: «Momentan die grösste Gefahr für den Brauch und unser Fortbestehen ist der Preis», sind sich Daniel Werren und Mario Birrer einig, «geht das so weiter, werden die Geisseln den Leuten bald zu teuer.» Ein Kilogramm Flachs koste sie bereits über 120 Franken.
Die Herstellung einer neuen Geissel ist also auch heute noch vornehmlich Handarbeit. Geisseln müssen nämlich konisch gedreht sein, sie werden gegen das Ende hin also dünner. «Solche Seile können sie maschinell gar nicht herstellen», sagt Werren. Grundsätzlich bedarf das Geisselmachen ein hohes Mass an Erfahrung und Feingefühl. Das kann auch der «Lehrling» Mario Birrer bestätigen: «Das richtige Gefühl ist das Mass aller Dinge: wie stark muss ich festhalten, wie stark muss ich drücken, wie viel Zug kann ich geben? Dazu kommt dann noch der Einfluss von Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf das Material.» Sei es kälter als 12 Grad draussen, fehle einem das nötige Gefühl in den Fingern.
Daniel Werren und Mario Birrer gehen neben dem Geisselmachen beide einer Vollzeitbeschäftigung nach. Trotzdem stehen sie während der Saison 2 bis 8 Stunden pro Tag in ihren Werkstätten, aus liebe zur Tradition. Beide machen die Arbeit gerne, Mario Birrer nennt es gar sein Yoga. Trotzdem werde es zu Zeiten sehr viel. «Wer uns hier ein bisschen entlasten möchte, bringt seine Geissel direkt nach der Saison zu uns, nicht kurz bevor es im November wieder los geht», sagt Werren. Ohne die beiden könnte der Brauch wohl nicht mehr lange fortbestehen: Die Geisselmacherei in Egliswil ist einer von nur drei Orten in der Schweiz, an denen überhaupt noch Geisseln hergestellt werden.
Von Adrian Oberer
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